Es ist eines der Wahrzeichen der Stadt Tirschenreuth: der knapp 700 Jahre alte Klettnersturm. Der Wehrturm wird in den kommenden Monaten für rund 360 000 Euro umfangreich saniert.
Von Lena Schulze / Der Neue Tag
Mitte Juli fiel bereits der Startschuss für die umfangreiche Sanierung des Klettnersturms. Der knapp 700 Jahre alte Wehrturm wurde zuletzt vor über 50 Jahren renoviert und hat deshalb viele desolate Stellen. In einem ersten Schritt wurde das Mauerwerk des Wahrzeichens bereits an zwei Seiten - zur Straße sowie am Eingang - trockengelegt. In dieser Woche wird dann an allen Seiten ein Gerüst aufgestellt, damit die weiteren Arbeiten beginnen können.
Kontrolle am Dach 2021
Besonders sanierungsbedürftig ist der Dachstuhl des Gebäudes. Das Oberstübchen des Turms hat die Gesamtsanierung des historischen Bauwerks erst angestoßen, berichtet Bürgermeister Franz Stahl beim Vor-Ort-Termin. Vornehmlich Vögel und Insekten haben in dem Gemäuer Zuflucht gefunden; nicht immer konnten sie den Turm unbeschadet verlassen. Bei einer Kontrolle wurden insbesondere Schäden am Abschluss des Turms sowie an den Balken des Dachstuhls festgestellt. Da auch der Außenputz Risse aufweist, lautete das Fazit: "Mit einer reinen Dachstuhl-Sanierung werden wir nicht weit kommen", erklärt Projektverantwortlicher Lutz Zangl vom städtischen Bauamt zur Bestandsaufnahme von 2021. "Es ist wichtig, dass wir uns dem jetzt annehmen", ergänzt der Rathauschef. "Der Turm hat schon eine besondere Bedeutung", stellt Stahl heraus. Der Erhalt historischer Gebäude liege der Stadt am Herzen.
Glocken sollen wieder läuten
Im Außenbereich wird insbesondere der Dachstuhl repariert. Wie Zangl informiert, werde in Absprache mit dem Denkmalamt nur defektes Holz ausgetauscht. Intaktes Gebälk bleibt bestehen. Details, was alles ausgebessert werden muss, könnten aber erst beurteilt werden, sobald das Gerüst steht. Künftig sollen auch die zwei Glocken, die schon seit Jahren still stehen, wieder in Betrieb genommen werden und zu besonderen Anlässen läuten. Die Herstellerfirma Rauscher aus Regensburg will das Geläut in Schuss bringen. Dafür werden die Glocken von einem manuellen Betrieb auf elektrischen umgestellt.
Weiter wird der Außenputz saniert, hier ist die südwestliche "Wetterseite" der Turmwand angegriffen. Auch die Zifferblätter der Turmuhr, die alle zwei Jahre geprüft wird, erhalten eine Erneuerung. Dem in den 1970er Jahren installierten Kunstschiefer als Dacheindeckung weicht Naturschiefer. Auch im Innenbereich steht einiges an: Die Treppe wird repariert und erhält zur Sicherheit Streben im Geländer. Die Sanitärinstallationen in der fünften Etage werden zurückgebaut, im Turmzimmer werden die Fenster erneuert. Außerdem werden die Elektroinstallationen ertüchtigt sowie Putz und Anstrich ausgebessert.
Einbindung in Stadtführungen
Auch nach den Reparaturarbeiten wird der Wehrturm regulär nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Eine Nutzung scheiterte am Rettungsweg, lässt Zangl wissen. Stahl könnte sich aber gut vorstellen, dass wieder Führungen für Schulklassen in dem Turm der ehemaligen Stadtmauer stattfinden. Außerdem verriet er, dass es Pläne gibt, das Gebäude in die nächste Staffel der Historischen Stadtführungen, die 2025 an den Start geht, einzubinden.
Kulisse für "Hundslinger Hochzeit"
Geplant ist die Fertigstellung der Maßnahme im Frühjahr 2024. Die Kostenschätzung aus dem Jahr 2021 für das Vorhaben in Höhe von 311 000 Euro habe sich mittlerweile überholt, berichtet der Projektleiter. Aufgrund gestiegener Rohstoffpreise beziffert er die Sanierungskosten auf mittlerweile 360 000 Euro. Die Maßnahme werde aber zu zwei Dritteln vom Freistaat Bayern gefördert. Verzögerungen für den Start der Sanierungsarbeiten gab es zwei: Zunächst gestalteten sich die Auftragsvergaben schwierig. Es fand sich keine Firma, die die Arbeiten am Fundament übernehmen wollte. Aktuell seien laut Zangl nur noch einige wenige Auftragsvergaben offen.
Zuletzt diente der Klettnersturm noch als Filmkulisse. In einer Szene der Kinoproduktion "Hundslinger Hochzeit" ist der Wehrturm zu sehen. Da hätte es natürlich unschön ausgesehen, wenn das Wahrzeichen der Kreisstadt bereits eingerüstet gewesen wäre. Deswegen wurde der Baubeginn der Maßnahme um drei Monate nach hinten geschoben.
Eines der Wahrzeichen der Stadt
Der Klettnersturm hat eine lange Geschichte. Der Wehrturm der Stadtmauer wurde vor dem Jahr 1330 erbaut. Es ist damit das älteste erhaltende Bauwerk aus der Zeit der Stadterhebung. Der Turm hat sogar den Stadtbrand 1814 überstanden. Im Jahr 1579 wurde der Klettnersturm um das Doppelte auf stattliche 30 Meter erhöht. Seine Mauern sind 1,5 Meter dick.
Seit ungefähr dem 16. Jahrhundert ist der Wehrturm auch bewohnt. Der Name des Gebäudes stammt vermutlich von einer Familie Klettner, die um 1805 in dem Turm lebte. Der letzte Turmwächter war Paul Miner. Er wohnte bis 1972 mit seiner Ehefrau Katharina und Tochter Rosa in der 15 Quadratmeter großen Wohnstube im obersten von insgesamt sechs Stockwerken. Ein witziger Hinweis am Rande: Ein dreimaliges Gebetsläuten mit der Turmglocke galt als Mietzahlung. Nach dem Auszug der Familie Miner wurde der Turm letztmals 1972 renoviert.
Foto 1: Stadt Tirschenreuth
BU: Der Klettnersturm erhält in diesen Tagen ein Außengerüst.
Foto 2: Stadt Tirschenreuth
BU: Bürgermeister Franz Stahl mit Bauamt-Mitarbeiter und Projektverantwortlichen Lutz Zangl sowie der Stv. Bauamtleiterin Andrea Stich (v.r.) bei der Begutachtung des Dachstuhls
Foto 3: Stadt Tirschenreuth
BU: Vom Turmzimmer aus hat man in jede Richtung einen sehr guten Blick auf die Stadt - und darüber hinaus. Gut zu sehen ist auf dem Bild der Fischhofpark - weiter entfernt befindet sich der Egerer Wald.