Artikel "Zieglers Firmenpolitik: Expansion für den Klimaschutz?"

 

Zieglers Firmenpolitik: Expansion für den Klimaschutz?

 

Artikel von Jürgen Herda, <link https: www.oberpfalzecho.de beitrag zieglers-firmenpolitik-expansion-fuer-den-klimaschutz _blank>www.oberpfalzecho.de

 

Plößberg. Im aktuellen Teil der OberpfalzECHO-Serie „Vom Wald zum Fertighaus – die klimapositive Vision einer Stadt aus Holz“, beleuchten wir die Firmenpolitik der Ziegler Group unter Nachhaltigkeitsaspekten. Wie verträgt sich der Expansionskurs mit den hehren Zielen des Klimaschutzes? Wo muss das Unternehmen in puncto Umweltschutz besser werden?

 

Die Ziegler Group baut fleißig neue Standorte aus – sollten sich nicht auch Unternehmen bei ihrem Wachstum beschränken?

Ratzow: Das ist eine Schaden-Nutzen-Abwägung. Ein Industrieunternehmen, das das Ziel hat, Schaden von der Gesellschaft abzuwenden, sollte den dafür nötigen Raum bekommen – und zwar auf Flächen, wo der geringste Schaden entsteht. Wir stehen in der Pflicht, das nachzuweisen. Wir sind überzeugt davon, mit unserer Idee einer Bauwende einen langfristigen Nutzen für das Klima zu erzielen. Der Vorteil unseres minimalinvasiven Holzbaus: Große Bauteile können vorgefertigt werden, wir integrieren unsere Standorte auch in bestehende Biotope, ohne großen Schaden anzurichten.

 

Trifft das wirklich für alle geplanten Standorte zu?

Ratzow: Die Standorte in Hütten und Tirschenreuth sind in dieser Abwägung aus meiner Sicht vertretbar. Es handelt sich dort um keine alten, gewachsenen Wälder. Wir suchen gezielt Standorte, die nah beieinanderliegen, was sich mittelfristig durch kürzere Transportwege in einer besseren Klimabilanz widerspiegelt.
Wir stellen keine kurzlebigen Wegwerfprodukte, sondern nachhaltigen Wohnraum her, versorgen die Objekte mit Wärme, erfüllen existenzielle Bedürfnisse – ich finde, dafür kann man gewisse Veränderungen der Landschaft in Kauf nehmen. Ich bin absolut dafür, eindeutig klimaschädliche Projekte wie den Neubau von Autobahnen zu stoppen.

 

Die klimapositiven Funktionen des Waldes kann man in eingeschränkter Form auch mit Ihrer Forstwirtschaft erreichen. Der Artenvielfalt geht es aber mit großen Maschinen wie Harvestern doch eher an den Kragen?

Ratzow: Nö. Im Gegenteil. Wenn man Harvestereinsätze gut koordiniert, kann man damit Lebensraum bewahren. Weil Sie mit Harvestern die Möglichkeit haben, in kurzer Zeit sehr viel Holz zu ernten. Das bedeutet aber auch, dass man den Wald über einen relativ langen Zeitraum komplett in Ruhe lassen kann. Räumlich gilt dasselbe. Harvester brauchen zwar eine Fahrgasse, die danach wirklich schlimm aussieht, aber sie fahren eben nur da. Mit kleineren Maschinen muss man den Wald flächig befahren, das war lange Standard. Sowohl die räumliche als auch die zeitliche Schonung von Waldflächen kann man mit diesen großen Maschinen besser erreichen.

 

Viele Konflikte drehen sich um das Abholzen einzelner Areale wie in Tirschenreuth, wo Natur- und Vogelschützer sagen, man kann nicht irgendwo einen Ersatzwald aufbauen, und dann geht die Waldschnepfe brav da rüber. Wie geht man mit so einem Konflikt um?

Ratzow: Ja, es ist ein Konflikt, den muss man erst einmal anerkennen. Und man muss auch Gegenstimmen ernst nehmen. Auf der anderen Seite muss man auch sagen, die Strukturen, die uns helfen, eine zukünftige Wirtschaft, ein zukünftiges Lebens- und Wohnmodell zu entwickeln, die gibt es noch nicht. Die müssen geschaffen werden. Und die müssen auch irgendwo entstehen. Wir fahren ein Konzept, das wesentlich zukunftsfähiger ist, als viele Konzepte, wie teilweise auch jetzt noch Flächen genutzt werden – wenn man an den Tagebau oder den Straßenbau denkt. Das ist meiner Meinung nach eine Stelle, wo es sich wirklich lohnt, dagegen anzugehen. Wir müssen Kompromisse finden.

 

Glauben Sie, dass man noch genauer hinschauen muss im Einzelfall? Haben Sie das am Anfang zu sehr der Politik vor Ort überlassen, nach dem Motto, es ist nicht unsere Aufgabe, eine geeignete Fläche zu finden?

Ratzow: Ja. Es gab lange Zeit ein Kopf in den Sand stecken von vielen Seiten und vielen Akteuren. Da wurden Geschäftsmodelle weitergefahren und schöngerechnet bis zum heutigen Tag, die, wenn man die Energiebilanz zugrunde legt, einfach keine Zukunft haben. Lange Zeit, das habe ich auch noch gelernt, war alles, was Umsatz bringt, gerechtfertigt. Das ist auch ein Denken, das zu kurz greift. Das muss einfach anders eingelernt werden.

 

Wie geht man eigentlich bei euch, apropos Nachhaltigkeit, mit dem Thema Verkehr, Transport, Logistik um? Viele freuen sich nur bedingt, wenn sie hinter einem Ziegler-Lkw herschleichen, das passiert ja relativ häufig hier in der Region.

Ratzow: Naja, wir haben ja auch einen Bahnhof und eine Bahnstrecke für den nationalen Gütertransport. Aber grundsätzlich muss Holz aus dem Wald. Und das geht momentan nicht anders als mit dem Lkw. Man kann nicht in jeden Wald einen Bahnhof setzen. Ziegler ist in einer Region, in der sehr viel Wald ist. Und wir streben halt auch eine Ballung der Wertschöpfungskette an. Das heißt, wir optimieren auf kurze Wege. Und das bedeutet, dass man hier sehr viele Lkw von uns sieht, aber unterm Strich spart das CO2 und hält Wertschöpfung in der Region.

 

Die Ziegler Group verdient auch am Holzexport – wie passt das in die nachhaltige Geschäftsphilosophie?

Ratzow: Wir haben einen großen Exportmarkt, den wir umso weniger bedienen müssen, je mehr wir die Wertschöpfungskette im Land belassen können – und unseren Rohstoff durch nachhaltiges Bauen selbst veredeln. Der CO2-Preis wird ein Übriges tun und sich auf die Rentabilität des Exportmarktes auswirken.

 

Wir reden derzeit darüber, dass wir das 1,5-Grad-Ziel schon in den nächsten fünf Jahren überschreiten könnten. Was bedeutet das für die Gesundheit unserer Wälder?

Ratzow: Das wird ein zusätzlicher Stressfaktor sein. Und wir müssen uns schon darum kümmern, dass wir Wälder erhalten und nicht verlieren. Niemand hat ein Interesse daran, dass man Wälder überbeansprucht, indem man zu viel nutzbares Bauholz gewinnen möchte und dadurch riskiert, dass ganze Wälder absterben. Das ist das Worst-Case-Szenario für alle Beteiligten. Die Überschreitung des 1,5-Grad-Ziels wird dazu führen, dass mehr Extremwetterereignisse kommen werden – mehr Dürresommer, mehr starke Winde, Unwetter, die auch wieder zu Windwurf führen. Für den Wald ist das eine kritische Situation, der wir aber entgegenwirken können, indem man mehr Waldflächen schafft.

 

Drohnenbild: David Trott